STA | Der neue Stöckach, Stuttgart
Städtebauliche Neuordnung des Quartiers Hackstraße/Stöckachstraße (EnBW-Areal) in Stuttgart-Ost
Anlass und Vision
Die EnBW und Stuttgart: Das ist eine gewachsene Beziehung, die ihre Wurzeln in der industriellen Moderne hat. Beide Partner haben sich in den letzten Jahren rasant verändert. Industrie 4.0, Zuzug und Wachstum, Digitalisierung, Energiewende sind nur einige wenige Veränderungsimpulse, denen sich sowohl die Stadt als auch das Unternehmen stellen muss. Zeit, dass die Beziehung in eine neue Phase eintritt! Dafür eröffnet sich nun eine einmalige Chance. Denn die Veränderung des Unternehmens findet nicht nur in seinen strategischen Veränderungen der Geschäftsfelder, in seinen Anlagen, Fuhrparks und in den Köpfen der Mitarbeiter statt. Sie hat ganz konkrete Auswirkungen auf die Weiterentwicklung der Standorte der EnBW in der Stadt – so auch am Stöckach. Die 4,25 ha große Fläche wird zukünftig nicht mehr als Betriebswerk gebraucht und soll zu einem urbanen Stadtbaustein entwickelt werden, zu einem guten Stück Stuttgart, das sich sowohl als Teil des Ganzen versteht, wie auch eine herausragende Vorbildfunktion hat, die weit über Stuttgart hinaus gehen soll.
Stadt und Unternehmen können also gemeinsam ein neues Kapitel der Zusammenarbeit aufschlagen, miteinander wachsen und voneinander lernen: Die Stadtentwicklung und die Menschen werden sicher von den bis zu 800 dringend benötigten Wohnungen in zentraler, sehr gut erschlossener Lage profitieren. Und die EnBW kann mit dem Vorhaben ihr Profil für die Entwicklung komplexer städtischer Infrastrukturen schärfen und sich weiter vom Energieunternehmen zum Infrastrukturpartner wandeln. Der Standort soll aber nicht nur dem Wohnen dienen. Er soll sich vom reinen Arbeitsort mit 1.000 Mitarbeitern zum integrierten Quartier entwickeln – in dem gemeinsam gelebt, gewohnt, (klein)gewerblich gearbeitet, genossen, geteilt und gelacht wird: ein gutes Stück Stadt und ein gutes Stück Nachbarschaft im Stöckach!
- Der Anspruch der Ausloberin ist hoch, die Vision konsequent:
- Es geht um ein ideales, zukunftsweisendes, weil wirklich menschenorientiertes Stadtviertel mit dem Ziel humaner, sozialer, energetischer, baulicher und zukunftsorientierter Qualitäten.
- Der neue Stöckach soll internationale Maßstäbe setzen, aber gleichzeitig in der Nahperspektive als dienender Teil einer Stadt erlebt werden.
- Der neue Stöckach soll in städtebaulicher Hinsicht von bundesweiter, ja sogar internationaler Ausstrahlung sein, ähnlich wie in architektonischer Hinsicht Günter Leonhardts Fernsehturm oder Frei Ottos in Stuttgart entwickeltes Münchner Olympiadach oder die Weissenhofsiedlung jeweils in ihrer Disziplin weltweit wirkende Vorbilder wurden.
- Die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen, ist dabei zentral. Denn der neue Stöckach soll in den 2020er Jahren gebaut und auch noch für die 2100er Jahre inspirierend sein und eine internationale Vorbildfunktion haben. So, wie es so manche Siedlungen der frühen und reifen Moderne noch heute sind.
- Der globale Klimawandel verlangt von verantwortungsvollen Städten, Unternehmen und der Bevölkerung radikale (konsequente), kurzfristige Veränderungen des alltäglichen Ressourcenverbrauchs und Senkung der Emissionen im Alltag. Wie kann Städtebau und Technologie darauf reagieren, so dass die Menschen neue umweltgerechte Wohn- und Alltagsformen nicht als Verzicht, sondern als Erhöhung der Lebensqualität erleben?
- Es geht auch drängender und mehr denn je um gesellschaftlichen Zusammenhalt: Wie kann der Städtebau der Zukunft dazu beitragen, daß ein neues Stadtviertel wieder zu einer Heimat, zu mehreren, diversen Heimaten führt?
- Was sind die Antworten auf die sich rasch wandelnden Wohnbedürfnisse?
- Die spezielle Situation in Stuttgart mit seiner Kessellage ist hinsichtlich Klima, Verkehr und erforderlicher Expansion innerhalb des Stadtraumes eine besondere Herausforderung. Wie werden wir mit der Erwärmung und den Hitzeinseln in der Stadt umgehen werden oder wie in der nahen und ferneren Zukunft unsere Mobilität gestalten?
Dieser Anspruch soll uns herausfordern. Denn wissen wir angesichts der rasanten technologischen, sozialen und ökologischen Veränderungen, was in 2100 relevant sein wird? Wir wissen es nicht und werden es auch nicht mit letzter Gewissheit herausfinden. Wir können aber die besten Architektinnen und Architekten einladen, mit uns das Fundament dafür zu legen, dass ein resilientes, allen Herausforderungen gewachsenes Stück Stadt entsteht, das integriert gedacht, gemacht und gelebt werden kann.
Dieser Wettbewerb stellt die Frage, wie eine Architektur gestaltet werden kann, die sich den gesellschaftlichen Anforderungen der nächsten Jahrzehnte stellen möchte. Wie können die neuen Anforderungen an Stadt und Architektur in eine angemessene, selbstverständliche und dennoch eigenständige Sprache übersetzt werden?
Neben den großen Zukunftsfragen gibt es aber durchaus Leitplanken, die wir heute schon – aus der Gegenwart heraus – dem Quartier mit auf dem Weg geben. Es soll sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltig, möglichst klimaneutral und klimaresilient sein. Dazu gehört auch eine gemischte Nutzungsstruktur wie es das „urbane Gebiet“ vorsieht (ca. 80% Wohnen, 20% Büro, Gewerbe, Einzelhandel, soziale Infrastruktur), die kurze Wege und ein lebendiges Miteinander ermöglicht. Die Wohnnutzung soll dementsprechend die geltenden Forderungen des Stuttgarter Innenentwicklungsmodells (SIM) mit bis zu 40% gefördertem Wohnungsbau inkl. einiger Betriebswohnungen übererfüllen. Dazu gehören auch soziale Verantwortung und Offenheit für neue Ideen und Konzepte. Sie werden in einer frühzeitigen und weit über das Übliche hinaus gehenden Einbindung der Öffentlichkeit und in der Konzeptfindung gelebt.
So hat die EnBW bereits einen IdeenRaum im Planungsgebiet eingerichtet und einen Prozess zur Öffentlichkeitsbeteiligung initiiert. Mit Informations- und Diskussionsveranstaltungen soll die Entwicklung fundiert und begleitet werden. Auch dieser partizipative Prozeß soll Vorbildfunktion haben.Offenheit für neue Ideen drückt sich auch in diesem Planungswettbewerb aus. Er ist als zweiphasiger offener Wettbewerb gestaltet, so dass alle interessierten Fachleute der Architektur, Stadtplanung und Landschaftsplanung uneingeschränkt ihre Vorschläge einbringen können.
Am Ende werden sie damit die Basis für einen Masterplan schaffen, der die Neuordnung des Quartiers prägen wird, als Grundlage für einen neuen Bebauungsplan dient und die angemessene Dichte und die grundsätzlich zum Stadtquartier passenden Höhenentwicklung definiert.
Öffentlichkeitsbeteiligung – Von Bürgern für Bürger
Die Ausloberin stellt sich den Herausforderungen, die die Neuordnung und -entwicklung eines ehemaligen Industrie- zum Wohngebiet in einem bestehenden Quartier mitbringen gern und möchte diesen in diesem Projekt von gesamtstädtischem Interesse gemeinsam mit allen Beteiligten begegnen. Ziel ist es, einen verdichteten, gesellschaftlich und politisch akzeptierten neuen Stadtraum zu entwickeln, der langfristig sowohl von neuen Bewohnern aber auch alteingesessenen Nachbarn nachgefragt, genutzt und akzeptiert wird. Dazu findet vor Auslobung des Wettbewerbs und während dessen Durchführung ein Beteiligungsverfahren statt, dessen Ergebnisse in die Aufgabenstellung und Bearbeitungshinweise an die teilnehmenden Architekten und Stadtplaner einfließen.
Auf dem Gelände des EnBW-Areal ist im Vorfeld und mindestens für die gesamte Dauer des Verfahrens der Ideenraum zentraler Anlauf- und Treffpunkt für alle Beteiligten und Interessierten. Dieser wird am 12. April 2019 eröffnet und ist ab dann jeweils donnerstags und freitags von 16:30 Uhr bis 19:00 Uhr und samstags von 13:00 Uhr bis 18:00 Uhr geöffnet. Ansprechpartner der EnBW und externe Experten sind ständig vor Ort.
In regelmäßig stattfindenden Bürgerwerkstätten (11. und 18. Mai 2019, 01. und 26. Juni 2019) vor Ort werden Vorträge zu projektrelevanten Themen angeboten und Interessen, Meinungen und Erkenntnisse gesammelt, dokumentiert und ausgewertet. Die wesentlichen inhaltlichen Themen bilden die Basis für die Aufgabenstellung des städtebaulichen Wettbewerbs.
Im Rahmen des Beteiligungsverfahrens werden vier Vertreter*innen aus der Bürgerschaft ausgewählt, die das gesamte Verfahren als Sachverständige begleiten und an den Preisgerichtssitzungen teilnehmen. Die vorgesehenen Teilnehmerkolloquien (15. Juli 2019 und 25.September 2019) sind als öffentliche Veranstaltungen konzipiert, zu denen auch interessierte Bürgerinnen und Bürger hinzukommen können und eine direkte Begegnung und Austausch zwischen Wettbewerbsteilnehmern und Interessierten möglich ist.
Weitere Informationen und Eindrücke sind auf der Webseite zum Beteiligungsverfahren zu finden.
Preisgericht
Fachpreisrichter:innen
Sachpreisrichter:innen
Ständig anwesende stellvertretende Fachpreisrichter:innen
Stellvertretende Sachpreisrichter:innen
Projekt-Ergebnisse
↑1. Preis
1. Preis: tong+ mit Hannes Hörr Landschaftsarchitektur, Remseck
Beurteilung des Preisgerichts der Arbeit 9013
Die Arbeit zeichnet sich durch einen sehr guten städtebaulichen Ansatz zur Transformierung und Innenentwicklung des EnBW-Areals aus. Identitätsstiftende Gebäude werden erhalten, gut in das Bebauungskonzept eingefügt und umgenutzt.
Wichtige Erschließungsachsen vernetzen das Quartier mit dem gesamten Stöckach. Die Eingangsbereiche werden durch kleinere Platzbereiche geöffnet und aufgewertet. In der Mitte des Quartiers befindet sich ein größerer öffentlicher Platz, der sich sehr gut als Treffpunkt für die Nachbarschaften und als soziale Mitte eignet.
Daran können sich in den Erdgeschosszonen Versorgungseinrichtungen, Gastronomie, Läden, kleinere gewerbliche oder kulturelle Einrichtungen angliedern.
Zentral befinden sich mehrere sogenannte Hubs – multifunktionale Versorgungs- und Servicegebäude, die sich auch baulich verträglich aus dem Quartier hervorheben und somit auch Orientierungspunkte bilden. Die Position des zentralen Hochpunktes und dessen Höhe selbst kann jedoch nicht überzeugen und müsste überarbeitet werden. Das öffentliche Raumgefüge einschließlich der Umgestaltung des Heilandplatzes, wird als gelungen bewertet.
Die halboffenen, neuen Blockbereiche eignen sich gut für neue Wohneinheiten und versprechen auch eine angenehme Wohnqualität. Begrüßenswert ist, dass der Wohnungsmix und die Anzahl der Wohneinheiten nahezu den Vorgaben entsprechen.
Der Erhalt der Sporthalle wird positiv gesehen. Die Versetzung der Energiezentrale (Umspannwerk) ist gesichert und technisch möglich. Der geplante Abriss des Verwaltungsgebäudes an der Hackstraße wird zwar bedauert, hat aber den enormen Vorteil einen neuen alternativen Eingangsbereich direkt gegenüber der Stadtbahnhaltestelle zu schaffen. Dies trägt zur besseren Erschließung des neuen Quartiers mit dem ÖPNV bei.
Durch die gut durchgrünten Innenhöfe, liegt der Grünflächenanteil im Rahmen. Insgesamt wird der Entwurf als gelungen und überzeugend angesehen und kann damit zur positiven Entwicklung des Stadtteils Stöckach und der gesamten Innenstadt zwischen der Villa Berg und dem Schlossgarten mit dem neunen Stadtteil Rosenstein beitragen.
↑2. Preis
2. Preis: Atelier Kaiser Shen Architekten PartGmbB, Stuttgart
Beurteilung des Preisgerichts der Arbeit 9009
Die Verfasser belassen identitätsstiftende Bestandsgebäude, setzen maßstäblich passende Blockrandstrukturen dazu und schaffen dadurch eine klare und einfach verständliche Außenraumstruktur. Gassen führen zum zentralen Platz mit dem durch ein Gründach überhöhten Gebäude 30-32. Diese Ausgangslage ist belastbar und bietet die Möglichkeit, vielfältig mit der Topografie, mit dem Wohnungsmix oder den kleinen Überraschungen umzugehen, die ein neues Stadtquartier lebenswert machen.
Von Westen nach Osten verbindet eine baumbestandene Wohnstraße die Innenstadt mit der Villa Berg. Von Norden nach Süden wird eine Abfolge von öffentlichen Plätzen über Stufenanlagen und Rampen angeboten. Die Hauptverbindung von der Straßenbahn-Haltestelle ins Quartier erfolgt über einen großzügigen internen Durchgang mit einem von Kletterpflanzen überdeckten Innenhof. Nicht nachvollziehbar ist der Durchgang vom zentralen Platz zur Schwarzenbergstraße auf die Rückseite zur alten Randbebauung. Obwohl die Setzung vieler Bäume geplant wird, scheint die versiegelte Fläche noch zu groß. Ein Konzept für die Nutzung der Dachflächen ist noch nicht ersichtlich, wünschenswerte begrünte Fassaden sind nur im zentralen Platzgebäude aufgenommen.
Die Bestandsgebäude nehmen vielfältige Nutzungen auf, was sehr positiv diskutiert wird. Die schmale innere Schicht von der ehemaligen zentralen Werkstätte wird aber als zu schmal und dadurch zu wenig nutzbar erachtet. Auch der Abbruch und das Verschieben der Sporthalle ist wenig sinnvoll. Die Neubauten bilden ähnlich große Höfe resp. Teilhöfe wie die Bestandsgebäude, was als sehr angenehm empfunden wird. Der angestrebte Wohnungsmix ist plausibel. Konzeptionelle Ansätze wie „Clusterwohnungen“, „Waschsalons“, „Co-Working“, „Joker-Zimmer“ und ähnliche gemeinschaftlich orientierte Angebote sind positiv hervorzuheben. Die kopfartige Ausbildung der beiden neuen Gebäude zum Heilandplatz wird positiv diskutiert. Wobei weder die Gestaltung vom Heilandplatz noch der übrigen Außenräume wirklich überzeugen.
Die Außenraumstruktur, gebildet aus den belassenen Bestandsgebäuden und den daraus abgeleiteten Neubauten, begeistert, die Ausformulierung einzelner Teilräume sind aber noch marginal. Die gezeigten Fassaden werden positiv diskutiert. Das Gefühl, die Atmosphäre vom Werksgelände bleibt insgesamt als eigener Charakter spürbar.
↑3. Preis
3. Preis: Riehle+Assoziierte GmbH+Co.KG, Stuttgart
Beurteilung des Preisgerichts der Arbeit 9012
Die Verfasser erhalten größere Teile des Bestands und ergänzen auf den Neubaufeldern mit Typologien, die sich an diesem Maßstab orientieren. Dadurch gelingt es die Körnigkeit und den Charakter des industriell/gewerblichen Gebietes in Erinnerung zu halten. Dies unterstützt die Gestaltung der Innenhöfe, die über Durchgänge gut ins städtische Gewebe eingebunden sind, aber auch als privatere, grüne Räume das Wohnumfeld bereichern. Ein Gebäude an der Hackstraße schließt den gründerzeitlichen Block fast vollständig. Hier ist der Zugang über eine zweigeschossige Öffnung vermutlich nicht angemessen. Die anderen Anschlüsse an die Stadt, der Umgang mit den verschiedenen Niveaus und die reaktivierte Sickstraße überzeugen hingegen. Sie sind als begrünte Wege und Gemeinschaftsflächen mit hoher Aufenthaltsqualität gestaltet. Ein mittiger Quartierplatz ist von Gewerbeflächen umgeben und mit einem Hochhaus mit kleineren Wohnungen ausgezeichnet, an ab gewandteren Lagen wird in Ateliers und Maisonettewohnungen teilweise bis ins Erdgeschoss gewohnt. Das Verwaltungsgebäude 30/31/32 ist ein gemeinschaftliches Haus mit einer großen Zahl von Kleinwohnungen und Infrastruktur (Kita, Gemeinschaftsräume, Küchen, Werkstätten, Waschküchen). Die Neubauten sind fünf bis achtgeschossig, in tieferen Bereichen sind gemeinschaftliche Dachterrassen direkt aus den Treppenhäusern zugänglich.
Drei Tiefgaragen (größtenteils Bestand) sind von der Hack- und Stöckachstraße und vom Heilandplatz direkt erschlossen, der ganze Innenraum ist somit bis auf Anlieferungsverkehr autofrei. An der Metzstraße sind Car-Sharing-Fahrzeuge und ein Fahrradverleih Teil des Mobilitätskonzepts.
Das Projekt liegt bezüglich der Flächen und der Wohnungszahl im oberen Bereich, die Nutzungen und Grundrisse sind plausibel, die ökonomische Machbarkeit wird positiv beurteilt. Flexible Angebote in den Erdgeschossen und in Sockelzonen des Bestands versprechen eine gute Anpassbarkeit an sich verändernde Bedürfnisse im Quartier.
Das Projekt besticht durch große Sorgfalt, angemessene Entscheide und eine tiefe, Durcharbeitung der Wohnungstypologien. Die konstruktiven Aussagen sind zurückhaltend und der dargestellte Ausdruck der Gebäude ein wenig spröde. Ebenso fehlen noch Aussagen zu Fassaden- und Dachbegrünung. Die robuste Struktur des Projekts bietet aber beste Voraussetzungen für die weitere Bearbeitung.
↑Anerkennung
Anerkennung: Hascher Jehle Design GmbH, Berlin
Beurteilung des Preisgerichts der Arbeit 9013
Die Arbeit überzeugt mit einer klaren städtebaulichen Grundhaltung, die für das Areal eine gleichmäßige, offene Blockrandstruktur beschreibt. Dabei werden straßenartige Stadträume in den zentralen Bereich des Areals geführt, um schließlich auf einem Platz mit Quartiershaus zusammen zu laufen. Im Übergang zum Umfeld wird die städtebauliche Figur jeweils leicht variiert und schafft so durchaus qualitätsvolle städtebauliche Übergangssituationen insbesondere im Bereich Heilandplatz und Schwarzenbergstraße.
Die Freiheit dieser klaren Grundstruktur erarbeitet sich der Entwurf durch einen weitgehenden Abbruch des Bestands. Einzig das EnBW Hochhaus sowie Teile des Bestands an der Stöckachstraße werden als identitätsstufende Elemente erkannt und mit den angrenzenden Bestandsstrukturen in das Zielbild überführt. Der Entwurf erreicht so mit einer wohlproportionierten Leichtigkeit die vorgegebenen Flächen- und Wohnungskennwerte. Die Verlagerung der Sporthalle aus dem Bestand in den zentralen Bereich wird in der Jury kontrovers diskutiert. Das Schließen der Metzstraße ist nicht nachzuvollziehen.
Die vorgeschlagene Bebauung zeigt gängige Wohnungs- und Erschließungstypologien, die funktionieren, aber keinerlei Variation erfahren. Neben den klassischen Erschließungskerne werden ergänzend so genannte Green Hubs vorgeschlagen, die neben Erschließungs- und Frischluftfunktionen und auch gemeinschaftliche Einrichtungen vorhalten. Die Green Hubs werden zusammen mit dem vorgeschlagenen Fassadenbild grundsätzlich positiv bewertet, wirken aber – genau wie der Green Loop auf den Dächern der Gebäude – eher additiv.
Die klare städtebauliche Grundstruktur bietet eine gute Orientierung im öffentlichen Raum. Leider aber ist die resultierende Freiraumgestaltung im Stadtraum wie in den Übergangssituationen im Detail wenig differenziert. Die eher privaten Innenhöfe mit durchgehenden Grünflächen und variierenden Aufenthaltsangeboten sind gegenüber dem öffentlichen Stadtraum zu großzügig dimensioniert und können nicht überzeugen.
Insgesamt zeigt die Arbeit eine solide städtebauliche Grundstruktur, die als Grundlage für ein gutes Stadtquartier dienen kann. Die Green Hubs zeigen sich als anspruchsvolles Element in der Bebauung, die den weitgehenden Verlust an Bestandsordnung und -bebauung im Sinne einer zukünftigen Identität für das Quartier aber nicht kompensieren kann.
Anerkennung: Topotek 1 Architektur, Zürich
Beurteilung des Preisgerichts der Arbeit 9002
Der Entwurf wird als konzeptionelles Statement verstanden den gesamten Bestand zu erhalten und durch Aufstockungen zu verdichten und so vom Produktionsstandort zum Wohnort zu transformieren. So klar und begrüßenswert dieser Ansatz ist, so brüchig wird er allerdings in der Konsequenz der Umsetzung. Durch den Erhalt aller Bestandsgebäude, wird eine städtebauliche Struktur manifestiert, die für ein neues Quartier anderer Nutzung räumliche Defizite aufweist.
Auch die Monotypologie der Nutzungen innerhalb der Aufstockung eines Gebäudes mit einem Wohntypus entspricht wenig einer gewünschten sozialen Mischung.
Sehr begrüßt wird aber die quartiersbezogene Mischung, die eine große Bandbreite an Wohnformen ermöglicht und zusätzlich gerade mit den großflächigen Bestandsbauten der früheren Industrie Möglichkeit für unkonventionelle Nutzungen schafft.
Trotz Darstellung konstruktiver Ansätze des Hochbaus für die Aufstockungen, scheinen diese bei einigen der Gebäude doch technisch schwierig und aufwendig.
Bei aller Konsequenz der städtebaulichen Grundhaltung, kann das vorgeschlagene Freiraumkonzept nicht überzeugen. Die ganzflächig homogen angeordneten Pflanzinseln leisten keinen überzeugenden Beitrag zu Aufenthaltsqualitäten des öffentlichen Raumes; gebäudenahe, private Freiflächen fehlen vollständig.
Insgesamt besticht der Entwurf durch seinen stringenten Ansatz des Erhalts aller vorhandenen Gebäude, zeigt aber auch über die Umsetzungsproblematik hinaus, die Schwäche in der räumlichen Ausbildung für ein neues langfristig zukunftsweisendes Quartier.