EFS | Emil-Fuchs-Straße, Leipzig
Leipzig ist heute attraktiv und dynamisch – zuvor war sie eine der am stärksten schrumpfenden Städte Deutschlands. Seit 2010 zählt sie zu den am schnellsten wachsenden Städten Deutschlands. Jährlich nimmt die Bevölkerung um ca. 2% – 10.000 Einwohner – zu. Die Stadt bietet interessante Arbeitsplätze und Bildungseinrichtungen, so dass besonders junge Menschen herziehen. Dementsprechend hat insbesondere die Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen stark zugenommen – Leipzig braucht dringend Wohnungen.
Die EFS Projekt GmbH möchte einen Beitrag dazu leisten. Sie hat das ca. 5.000 qm große Grundstück der ehemaligen 2. Trinitatiskirche Leipzigs von 1982 erworben. Die Bausubstanz war baufällig und wurde im letzten Jahr bis auf den Glockenturm abgetragen. Das Grundstück ist ansonsten frei von Bebauung und liegt in attraktiver Lage zwischen dem Park Rosental und dem Zoologischen Garten im Norden und dem beliebten Elstermühlgraben im Süden. Auf dem Grundstück sollen in ca. 8.500 qm GF ca. 90 Wohnungen zur Miete geschaffen werden.
Es ist eine zentrale Aufgabenstellung dieses Wettbewerbes, eine angemessene Neubebauung vorzuschlagen, die gute neue Wohnungen bietet und zugleich den nördlichen Abschluss des Waldstraßenviertels stärkt.
Mit einem nichtoffenen anonymen 1-phasigen Realisierungswettbewerb nach RPW 2013 möchte die EFS Projekt GmbH in Kooperation mit der Stadt Leipzig herausragende und für das Stadtgebiet aufwertende Lösungen finden. Im Fokus steht dabei die Schaffung von gutem und bezahlbarem Wohnraum für unterschiedliche Lebensmodelle und Lebensphasen. Zugleich soll die neue Bebauung die städtebauliche Situation arrondieren und mit verträglicher Dichte auch einen Beitrag zur Aufwertung der Freiräume leisten. Zur Teilnahme am Wettbewerb lädt die Ausloberin 11 Büros ein.
Die EFS Projekt GmbH beabsichtigt, einen der Preisträger – bevorzugt den ersten – mit der weiteren Planung zu beauftragen und strebt einen Baubeginn im Jahr 2019 an.
Teilnehmende
- aap.architekten, Wien
- Axthelm Rolvien GmbH & Co. KG, Potsdam
- Dorschner Kahl Architekten, Leipzig
- Heide & von Beckerath Architekten, Berlin
- Hilmer Sattler Architekten Ahleres Albrecht, München/Berlin
- Keintzel Architekten, Berlin
- nonconform ZT GmbH, Wien/Berlin
- Osterwold°Schmidt Exp!ander Architekten, Weimar
- tafkaoo.berlin, Otto Höller, Berlin
- W&V Architekten GmbH, Leipzig
- welter+welter architekten BDA, Berlin
Preisgericht
Fachpreisrichter:innen
Sachpreisrichter:innen
Ständig anwesende stellvertretende Fachpreisrichter:innen
Stellvertretende Sachpreisrichter:innen
Projekt-Ergebnisse
↑1. Preis
1. Preis: W&V Architekten GmbH, Leipzig
Charakteristisch bilden vier geometrisch leicht variierte klare kantige Baukörper abwechselnde Freiräume zum Wasser und zum Park. Die Varianz der Baukörperposition wird in der Staffelung der Gebäudehöhen aufgenommen. Die Kubaturen reagieren in geeigneter Größe auf die Nachbarbebauung und bilden eigenständige Adressen. Das Erschließungskonzept und die Wegeführung auf dem Grundstück sind selbsterklärend und einfach.
Die Außenwirkung wird dominiert von der geometrisch strengen Fassadenordnung, die zum Wasser in Richtung Süden mit großen Balkonen geöffnet wird. Im Gegensatz dazu bilden die Nordseiten zur Straße hin eine sehr geschlossene Front, deren Gestaltung überaus kontrovers diskutiert wird. Die Vereinheitlichung aller Fenster auf senkrechte Bänder mit nur einem Maß bewirkt eine entwurfliche Härte im äußeren Erscheinungsbild und lässt auch für die Wohnräume eine nicht immer nachvollziehbare Belichtungsbegrenzung entstehen. Im Detail sind hochwertige Gestaltungsdetails der Fassade erkennbar, die durch die sehr prägnante, aber wenig differenzierte Darstellung nicht ausreichend wiedergegeben werden.
Die wohl proportionierten Außenräume bieten eigentlich viele denkbare Gestaltungsmöglichkeiten, weisen jedoch eine unzureichende Ausarbeitung der unterschiedlichen Gestaltungen und Nutzungsqualitäten auf. Eine Beschriftung auf den Plänen mit „Müll“ und „Fahrräder“ wird dem Potenzial nicht gerecht. Auch die Darstellung der Gartenbereiche vor den EG-Wohnungen ist nicht eindeutig und undifferenziert. Die Uferzone ist kaum definiert und weist zu wenig Aufenthaltsqualität auf, bietet aber insgesamt eine gut nutzbare Zone für die Gemeinschaft.
Es wird kritisiert, dass die Tiefgarageneinfahrt einen großen Teil des einen Platzes einnimmt und nicht in einem Erdgeschossbereich integriert ist.
Die Freistellung des Turms durch einen Eckplatz und die Zurücknahme der östlichen Bebauung vom Nachbargrundstück reagieren in selbstverständlicher Art auf den Bestand.
Das Entwurfskonzept erfüllt grundsätzlich alle Forderungen des Raumprogramms und bietet eine Gesamtwohnfläche im unteren bis mittleren Bereich der Wettbewerbsbeiträge. Die Tiefgarage ist großvolumig und unterbaut unnötig viel Grundstücksfläche. Die Aufzüge müssen als Durchlader konzipiert sein, die Erschließung von 2 EG-Wohnungen zur Nordostseite ist nicht schlüssig dargestellt. Die Wohnungsgrößen orientieren sich an den unteren Größenvorgaben je Wohnungstyp. Die Grundrisse sind sehr klar und angenehm einfach und plausibel organisiert und die Erschließungsflächen sind reduziert und zweckmäßig, leider jedoch nur innenliegend. Die geringen Abstände zwischen den Gebäuden an den Eckbereichen werden kritisch hinterfragt.
Der Entwurf ermöglicht eine städtebaulich prägnante Gestaltung bei effizienter, möglicherweise auch serieller Fertigungsweise und reagiert in eigenständiger und maßstabsgerechter Form sehr positiv auf die umgebende Stadtlandschaft.
↑2. Preis
2. Preis: Osterwold°Schmidt Exp!ander Architekten, Weimar
Drei längliche Baukörper stehen mit ihren kurzen Seiten zur Emil Fuchs-Straße und zum Wasser, sie sind in den Höhen und in ihren Konturen stark differenziert, was einen vielfältigen und differenzierten Gesamteindruck macht. Betont wird die Nord-Süd-Ausrichtung, durch die auch die Beziehung zwischen Graben und Park durchlässig und offen bleibt. Trotz ihrer nicht unerheblichen Größe sind sie maßstäblich gelungen, gut strukturiert und sorgfältig auf die konkrete Lage und die Nachbarbebauungen bezogen. Diese Setzungen erscheinen sehr plausibel.
Die Eingänge befinden sich klar erkennbar an der Straße, die Erschließung erfolgt pro Haus durch nur zwei Treppen und einen Aufzug, die durch einen innenliegenden Flur auf ganzer Gebäudelänge miteinander verbunden sind. Die räumliche Qualität und Atmosphäre dieser Flure werden kontrovers diskutiert, die tatsächlich zurückzulegenden Strecken zur Wohnungstür sind aber nie lang. Der zweite Rettungsweg ist hier baulicher Teil des Hauses mit dem Vorteil, dass die Freiflächen von Feuerwehrumfahrten ungestört bleiben. Mit der ausgelagerten offenen Zufahrt in die Tiefgarage wird diesem Ansatz allerdings nicht gefolgt; die Integration in einen Gebäudeteil wäre einfach machbar gewesen.
Die Qualität der Wohnungen ist sehr gut. Durch die durch Vor- und Rücksprünge der plastisch gegliederten Baukörper erhalten zahlreiche Wohnungen Belichtung und Ausblick in wenigstens zwei, oft auch drei Himmelsrichtungen. Nur wenige kleinere Wohnungen sind einseitig orientiert, was immerhin durch die Terrassenflächen, die durch die Höhenstaffelungen entstehen, halbwegs kompensiert wird.
Die differenzierte Kontur der Gebäude auch untereinander verhilft trotz der nicht geringen Nähe auf den ersten Blick zu ausreichender Privatheit – dies aber wäre im Einzelfall noch zu prüfen. Es entsteht außerdem zwischen den Häusern auf der Erdgeschossebene eine Verbindung entlang der immer zentral platzierten Aufzüge, die Vor- und Nachteile für die Erdgeschoss-Terrassen sind noch abzuwägen. Die Rampe zum Wasser wird ebenso begrüßt wie der Ansatz, den Glockenturm einzubinden. Ein großes Potenzial auch im Hinblick auf unterschiedliche Wohnformen bedeuten die Penthouse-Geschosse.
Mit Blick auf die Konstruktion und Materialisierung wird diskutiert, ob für die Häuser nicht eine Verbundbauweise mit Holz in Frage kommen würden, so wie es dem Bild der Häuser und ihrer Fassaden auch entspricht. Die zahlreichen Vor- und Rückspringe insbesondere in der Höhe lassen befürchten, dass es zu zahlreichen und technisch nicht immer leicht zu lösenden Ausführungsdetails kommt und zu entsprechend höheren Baukosten.
Die Arbeit ist maßstäblich und passt sich gut ein, und ist in der stadträumlichen Setzung und in der architektonischen Konkretisierung ein außerordentlich gelungener Beitrag.
↑3. Preis
3. Preis: tafkaoo.berlin, Otto Höller, Berlin
Das Projekt „Dreierlei: Wohnen – Gemeinschaft – Leben“ überwindet den städtebaulichen Widerspruch zwischen dem historischen Vorgängerbau als Konglomerat und der Auflockerung der angrenzenden Villenbebauung in distinktive Objekte, indem es beides miteinander kombiniert. So gibt es einen zusammenhängenden Sockel, der teilweise vor-, teilweise zurückspringt, und die drei 5-und 6-geschossigen Bauteile miteinander verbindet, hier ist der Abstand zwischen den beiden östlichen Riegeln sehr gering.
Das Abrücken des differenziert ausgeformten Baukörpers von der Leibnizstraße und damit die optische Freilegung des Turms sowie die Schaffung eines öffentlichen Raums als Spielplatz wird sehr positiv beurteilt; dies ist ein Gewinn sowohl für das Quartier als auch für die Stadt. Durch den Zusammenschluss der Baumasse wird eine Adresse mit einem zentralen, großzügigen Eingangsbereich geschaffen, der innenliegend sämtliche Wohnungen erschließt. Es ist ein Raum der Begegnung, der großflächig gemeinschaftliche Nutzungen ermöglicht und vielfältig belichtet ist.
Die Garageneinfahrt ist recht gut gelöst, in dem sie vom Nachbargrundstück abgesetzt ist. Die daran angrenzenden Wohnungen im Erdgeschoss sind nicht optimal.
Bei sehr hoher Geschossfläche wurde eine relativ ökonomische Kubatur moduliert, die eine geringe Fassadenfläche generiert. Ökonomisch ist der Entwurf auch im Sinne, dass nur drei Treppenhäuser nötig sind, die auch in den oberen Geschossen natürlich belichtet sind.
In Innenhöfen und auf dem Sockelgeschoss werden Gemeinschaftsterrassen angeboten, die zwischen Wohnungen oder privaten Terrassen liegen.
Die relative Ökonomie der Kubatur wird mit dem Raster der Fassade weitergedacht. Das Raster wird durch eine heterogene Anlage der Balkone und der Fenster aufgelockert. Die sehr großzügigen gemeinschaftlichen Bereiche sollen nach Angaben der Verfasser durch die grundsätzliche Wirtschaftlichkeit des Projekts (Kubatur und Raster der Fassaden) gewährleistet werden; dies erscheint möglich.
Trotz der plastischen Gestaltung der Baumasse ist der Ökonomie leider auch geschuldet, dass viele Fassadenflächen glatt und vertikal sind. Das Raster hätte hier ermöglicht, eine noch stärkere Plastizität zu generieren.
Wohnungen in Richtung Norden klappen sich über Eck und bieten somit auch Ost- bzw.- Westeinstrahlung an. Jene Wohnungen, die sich im 2. Obergeschoss auf die Gemeinschaftsterrasse öffnen, sind schwer zu nutzen, ebenso einige Wohnungen in den Ecken der unteren Ebenen. Die Wohnungen im 3. und 4. OG funktionieren gut. Allerdings ist die Wohnungsaufteilung nicht immer auf das Fassadenraster ausgerichtet.
Es ist ein resolut zeitgenössisches, experimentelles aber durchaus realistisches Projekt, dass sowohl der jüngeren Geschichte des Ortes als auch den ökonomischen Anforderungen gerecht wird und – auch damit ist es zeitgemäß – die Tendenz in einer alternden und individualistischen Gesellschaft nach Gemeinschaft architektonisch umzusetzen vermag. Als einziges Projekt exponiert es die Haltung einer Quartiersdurchmischung und dekliniert in überzeugender Weise die Verkettung von Öffentlichkeit, Gemeinschaft und Privatheit.
Die Kompaktheit der Baumasse und die Wahrnehmung des Komplexes aus dem öffentlichen Raum im Norden wurde jedoch sehr kontrovers diskutiert.