KiMu | Neues Kindermuseum im Jüdischen Museum Berlin
Das Jüdische Museum Berlin gehört seit seiner Eröffnung 2001 zu den bedeutenden Institutionen der europäischen Museumslandschaft.
Hauptaufgabe des Museums ist es, die Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums in all seinen Facetten darzustellen. Mit seinen Ausstellungen und seiner Sammlung, der pädagogischen Arbeit und einem vielfältigen Veranstaltungsprogramm ist das Museum ein Ort für die Geschichte und Kultur der Juden in Deutschland. Auch aufgrund dieser Angebotsvielfalt zählt das Haus zu den meistbesuchten Museen Deutschlands.
Für ein historisches Museum ist das Publikum ungewöhnlich jung – jeder fünfte Besucher ist unter 20 Jahre alt. Dazu zählen jährlich rund 22.000 Kinder, die das Jüdische Museum Berlin gemeinsam mit ihren Familien besuchen. Dabei äußern Eltern, Schulen und Kitas immer wieder großes Interesse an Ausstellungsangeboten, die nicht nur für Jugendliche, sondern auch für jüngere Kinder attraktiv sind. Mit der Einrichtung eines dauerhaften Kindermuseums möchte das Museum die Zielgruppe der Fünf- bis Zwölfjährigen ansprechen und ihnen und ihren Begleitpersonen ein besonderes Besuchserlebnis im Jüdischen Museum Berlin ermöglichen an das sie sich gerne erinnern.
Die Stiftung Jüdisches Museum Berlin will das der zeit ungenutzte Flächenpotential der ehemaligen Blumengroßmarkthalle für die Einrichtung des Kindermuseums nutzen. Diese Fläche befindet sich zwischen den bestehenden Flächen und Räumen der durch Daniel Libeskind ausgebauten Akademie des Jüdischen Museums und dem in Sanierung befindlichen Verwaltungstrakt im Westen.
Für das Bauwerk stehen dabei 3,44 Mio. € (brutto KG 300 – 600 ohne Kunst am Bau) zur Verfügung. Für die Erstellungskosten der Ausstellung sind weitere 2,11 Mio. € (brutto) budgetiert. Das Bauvorhaben soll bis Mitte 2018 realisiert werden, die Eröffnung der Ausstellung ist in 2019 geplant.
Mit diesem Wettbewerb sollen herausragende Konzepte und Entwürfe zur szenografischen und räumlich architektonischen Gestaltung des Kindermuseums im baulichen Bestand der ehemaligen Blumengroßmarkthalle erlangt werden.
Teilnehmende
- chezweitz GmbH, Berlin, Deutschland
- COORDINATION sg design gmbh mit COORDINATION Ausstellungsgesellschaft mbH und COORDINATION (Shanghai) Architecture Design & Consulting Co., Ltd, Berlin/Shanghai, Deutschland/China
- EXIT Design, Barcelona, Spanien mit Kuehn Malvezzi, Berlin, Deutschland
- feipel & bechameil, Esch an der Alzette, Luxemburg
- Marie Lorbeer, Berlin, Deutschland
- Michael Wallraff ZT GmbH, Wien, Österreich
- Olson Kundig Architecture and Exhibit Design, Seattle, WA USA
- Raumlabor Berlin, Deutschland
- SPACE4 GmbH, Stuttgart, Deutschland
- Staab Architekten GmbH, Berlin, Deutschland
- Studio Adeline Rispal, Paris, Frankreich
- Sunder-Plassmann Architekten, Kappeln / Berlin, Deutschland
Preisgericht
Fachpreisrichter:innen
Sachpreisrichter:innen
Ständig anwesende stellvertretende Fachpreisrichter:innen
Stellvertretende Sachpreisrichter:innen
Projekt-Ergebnisse
↑1. Preis
1. Preis: Olson Kundig Architecture and Exhibit Design, Seattle, WA USA
Der szenografische Ansatz ist museumspädagogisch hochattraktiv und professionell. Er greift im Arche Noah Mythos spielerisch aktuelle und relevante Themen wie Vielfalt, Migration, Schutz der Schöpfung, zweite Chance und Neubeginn auf. Der Besucher ist Noah und erlebt mit sich ebenso wie in Interaktionen und im Rollenspiel die vielfältigen Facetten dieser Themen. Dabei wird die Erzählung der Arche als Schiffskörper sowie anhand der Tiere am deutlichsten und ergreifendsten umgesetzt. Tiere und Arche werden sowohl eindrucksvoll als auch zugleich hinreichend abstrahiert präsentiert um mit nötiger Distanz die metaphorische Deutung auf die aktuellen Themen zu evozieren. Es wird ein großes Angebot motorischer Tätigkeiten für Kinder verschiedener Altersstufen vorgestellt, die mit ihrer Aktivität sichtbar und hörbar Prozesse auslösen können. Das Kind erlebt sich als eigenständiger Akteur in der Ausstellung.
Die architektonische Umsetzung wird in Teilen kritisch gesehen. Die in die Halle eingestellte Raumfigur (Ring) überträgt die Körperhaftigkeit der Arche abstrahiert in eine geometrische Grundform. Es wird ein zentraler Begegnungsraum im Zentrum – Amphitheater – geschaffen. Im Umfeld um den Körper entstehen noch nicht definierte Flächen die auch als Potenzial erkannt werden.
Grundsätzlich führt die Ausdehnung der Ausstellung über 2 Geschosse zu funktionalen Nachteilen (Besucherströme, Rampenlängen und –steigungen) und zu einem erhöhten konstruktiven Aufwand (zusätzlich notwendige Gründung, Brandschutz – weitere Fluchtwege). Die Zweigeschossigkeit erscheint für die szenografische Wirkung nicht erforderlich.
Inwieweit der Regenbogeneffekt auf der Nordseite ohne direkt einfallendes Licht hinreichend wirkmächtig ist wird hinterfragt.
Das Haus im Haus Konzept ist ein tragfähiger Ansatz zur Erfüllung der energetischen Anforderungen.
Die Arbeit stellt einen herausragende szenografischen Ansatz dar der eine anregende architektonische Umsetzung erfährt. Der Aufwand und die Komplexität der architektonischen Gestaltung sollte zugunsten des knappen Budgets deutlich minimiert werden.
↑2. Preis
2. Preis: Staab Architekten GmbH, Berlin, Deutschland
Der Beitrag zeigt ein eigenständiges Konzept einer neuen artifiziellen Welt in einem menschlichen und zielgruppengerechten Maßstab. Es wird eine Vielzahl an kleinteiligen Raumqualitäten und Raumerlebnissen geboten. In einer Dreigliederung aus Eingangszone, Wetterzone und Arche entstehen funktionale Bereiche. Ein zentraler Ort – der Kompass – gewährleistet gute Orientierung. Die Angebote sind spezifisch auf die unterschiedlichen Altersgruppen differenziert. Die Wahl der Materialien ist angemessen und schafft vielfältige optische und haptische Qualitäten.
Die Geschlossenheit des Ansatzes wird kritisch als zu eng und gleichförmig empfunden. Die Chancen des einmaligen Hallenraumes kommen nur ganz punktuell zur Geltung, die Belichtung und Belüftung muss in weiten Teilen künstlich erfolgen. Die strikte räumliche Definition lässt wenig Spielraum für Flexibilität und Anpassungen und bietet wenig Anregungen für die kindliche Phantasie. Die rigide Spantenstruktur widerspricht dem fließenden, organischen Charakter der Räume.
Die Arbeit zeigt ein klar strukturiertes Konzept hoher Qualität und eine große Qualität in der Ausarbeitung. Die Aktualität der szenografischen Haltung wird bezweifelt. Weniger Konvention, weniger definitive Setzung täten gut. Insgesamt werden räumliche Vielfalt, Brüche und Widersprüche vermisst – ebenso wie raumgreifende Angebote die einen offeneren Bezug zur vorhandenen Halle gewähren.
↑3. Preis
3. Preis: Michael Wallraff ZT GmbH, Wien, Österreich
Die Arche als in den Hallenraum eingeschriebener Schiffskörper durchdringt die Fassade und wird von außen erlebbar – die Besucher betreten das Museum indem sie die Arche betreten – ein nachvollziehbares und reizvolles Konzept. Das Projekt erhält den Industriecharakter der Halle und schafft durch die Einstellung der Schiffswand eine Zweiteilung des Hallenraumes zwischen Garten der Diaspora und zukünftiger Verwaltung – damit wird zugleich der erforderliche thermische Aufwand auf die eigentliche Ausstellungsfläche reduziert. Über die Inszenierung des eingestellten Schiffskörpers hinaus werden differenziertere und anregende Assoziationen und Symbolhaftigkeiten vermisst. Die Ausstellungsarchitektur wirkt durch eher aneinander gereihte Einzelobjekte eher austauschbar und wenig spezifisch – es werden vielmehr Eindrücke eines Containerschiffes oder eines Technikmuseums geboten – Angebote die dem Arche Noah Mythos und den vielfältigen Themen und Bezügen zu Grundfragen des Lebens nicht gerecht werden. Die Schiffsassoziation ist im eigentlichen Ausstellungsbereich wenig thematisiert und erlebbar. Hier wäre ein innovatives und emotional anregenderes Museumskonzept gewünscht. Die Zielgruppe der Kinder unterschiedlicher Altersgruppen wird nicht dezidiert angesprochen, es gibt nur wenige Angebote für motorische Entdeckungen. Die filigrane Konstruktion der Rampen und Stege ist brandschutztechnisch problematisch.
Der zunächst interessante und vielversprechende Ansatz des eingestellten und nach Außen durchdringenden Schiffskörpers der Arche wird in der szenografischen Inszenierung als auch der architektonischen Umsetzung nicht konsequent weiterverfolgt.
↑2. Phase – 2. Rundgang
2. Phase – 2. Rundgang: chezweitz GmbH, Berlin, Deutschland
Der starke, bildhafte Charakter des eingestellten Schiffskörpers teilt den Raum und nutzt die Fläche der Halle aus. Allerdings stehen das organische Äußere und sein strenges Innere in keinem Verhältnis zueinander, die dargestellten Schiffsräume muten mehr wie Klassenzimmer an.
Die szenografische Umsetzung bleibt konventionell, stellenweise entsteht eher der Eindruck eines „Piratenschiffes“ denn einer Arche. Auch didaktisch bietet die Ausstellung wenig Bezüge über einen „christlichen Religionsunterricht (Gott grämt sich)“ hinaus.
Die Zielgruppe erscheint letztendlich nicht wirklich in den Fokus genommen, die angebotenen Aktionen beschränken sich auf das Basteln und Bauen von Tieren und Arche.
2. Phase – 2. Rundgang: Raumlabor Berlin, Deutschland
Das poetische Moment der Arbeit und der einzige für Kinder interessante Raum liegt im zentralen Ort der „Bowl“. Die räumliche Struktur der sie umgebenden Räume wird klaustrophobisch und labyrinthisch empfunden, die dargestellten Visualisierungen lassen die Verortung in die vorhandenen Räume vermissen.
Die Raumcollagen wirken überfrachtet, während für die thematische Bespielung der Ausstellung wenig Inhalte geboten werden. Die dargestellten, unterschiedlichen Aktivitäten und Nutzungspotentiale der „Bowl“ erscheinen zu beliebig.
Insgesamt ordnet sich die thematische und räumliche Anordnung der Ausstellung formal vollkommen der Schale unter, deren Fragen nach Temperierung, Materialisierung – u.a. auch der konzeptionell dominanten „Wasserfläche“ – und Barrierefreiheit überwiegend unbeantwortet bleiben.
2. Phase – 2. Rundgang: Sunder-Plassmann Architekten, Kappeln / Berlin, Deutschland
Die Arbeit stellt einen wertvollen Beitrag dar, der durch seine Ruhe und Schlichtheit großes Potential in sich birgt. Die einfache, „entspannte“ Raumstruktur der Welle, die gleichzeitig trennt und verbindet, schmiegt sich in die Halle ein und nutzt deren räumliches Potential.
Unklar bleibt, wie die offenen und geschlossenen Räume innerhalb der Wand funktionieren.
Das Regalsystem ist als Schaudepot sehr gut und vielfältig nutzbar. Zugleich bleibt es als Wand zweidimensional, die angebotenen Räume sind in ihrer Dimensionierung zu gleichförmig ausgebildet.
Für die Ausstellung gibt es wenig Inspiration, ein tragendes kuratorisches Konzept wird vermisst. Bis auf wenige Skizzen fehlen konkrete Aussagen zu Exponaten und Interaktionen, auch die Tiere im „Band der Tiere“ bleiben nur Metapher.
Kritisch wird die Frage nach den beheizten Räumen diskutiert: die Ausstellung mit ihrem zentralen, großen Raum ist generell unbeheizt. Im Falle einer zu wünschenden Temperierung wird die gesamte Halle thermisch ertüchtigt werden müssen. Die daraus entstehenden Kosten sind im vorhandenen Budget nicht abgebildet.
Insgesamt fehlt der Umsetzung des Themas der Arche Noah in einem Kindermuseum im Jüdischen Museum räumliche und thematische Kraft und Intensität.