JAHO | Hochhaus an der Jannowitzbrücke, Berlin – Mitte
Berlin wächst und zieht immer mehr Menschen und Unternehmen an. Bisherige Brachen werden entwickelt, Standorte nachverdichtet oder neubebaut und bilden bedeutende Bausteine des neuen Berlins. Die bisherige Nutzung des Grundstücks an der Ecke Holzmarktstraße — Alexanderstraße mit seiner Größe von ca. 2.634 qm wurde dem Standort nicht gerecht und wurde deswegen zurückgebaut. An einem sehr prominenten Ort in Nachbarschaft zur Altstadt und dem Alexanderplatz gelegen ist das Grundstück hervorragend sowohl durch den Öffentlichen Personennahverkehr als auch den Individualverkehr erschlossen. Mit dem Projekt soll auf dem Grundstucük eine städtebaulich-architektonische Landmarke von mindestens 70 m Höhe und mindestens 20.000 qm Geschossfläche gemischter Nutzung mit einem Fokus auf Büroflächen entstehen. Korrespondierend zu der neuen Bebauung soll der von der Alexanderstraße und der Holzmarktstraße gebildete Bahnhofsvorplatz neu gestaltet werden. Es werden der Dynamik der Stadt, der Bedeutung des Ortes und den funktionalen Anforderungen der zukünftigen Arbeitswelt entsprechende innovative städtebauliche und architektonische Lösungen, die sich vor allem auf städtebaulicher Ebene sowohl in den Ort einfügen als ihn auch prägen und damit deutliche Antworten auf die herausragende Lage an der Spree mit der Jannowitzbrücke und dem gleichnamigen S- und U-Bahnhof geben. Das Projekt soll städtebauliches sowie funktionales Entree und Auftakt für die lange Achse Richtung Osten bilden, die mit der Holzmarktstraße beginnt.
Entstehen soll ein Areal, auf dem Menschen kreativ, vernetzt und gesund arbeiten und das eine lebendige Nachbarschaft fördert.
Die CESA Investment GmbH & Co. KG und die Art-Invest Real Estate Management GmbH & Co. KG streben, in Kooperation mit dem Land Berlin und dem Bezirk Mitte, die Entwicklung des Standortes durch eine herausragende Architektur mit mindestens 20.000 qm GF für gewerbliche Nutzungen an. Das Verfahren baut auf den Ergebnissen eines Workshopverfahrens auf, das die Planungsgrundlage für das angrenzende Baufeld im Osten ist. Die Teilnehmer des Verfahrens (Gutachter) erhalten für die Erarbeitung der Lösungsvorschläge ein Honorar von je 15.000 € in der Phase und von je 20.000 € in der 2. Phase als pauschale Aufwandsentschädigung zzgl. Ust. in gesetzlicher Höhe. Im zweitägigen 1. Kolloquium wird das Obergutachtergremium mit allen Gutachtern die ersten Entwurfsansätze diskutieren und 5 Beiträge zur Weiterbearbeitung auswählen. In einer finalen Sitzung erfolgt die Auswahl eines Entwurfs als Grundlage für die weitere Planung. Die Realisierung des Bauvorhabens soll auf Grundlage des Workshopverfahrens JAHO (12/2018 – 03/2019) erfolgen.
Die Ausloberinnen beabsichtigen unter Berücksichtigung der Empfehlung der Jury, die Verfasser des ausgewählten Entwurfs mit der Ausarbeitung der weiteren Planungen
Teilnehmende
- Barkow Leibinger Architekten, Berlin
- Buchner Bründler Architekten, Basel
- CF Møller Architekten, Berlin
- David Chipperfield Architects Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin
- kadawittfeldarchitektur, Berlin
- Kleihues + Kleihues Gesellschaft von Architekten, Berlin
- KSP Jürgen Engel Architekten, Berlin
- Kuehn Malvezzi Architekten, Berlin
- LANGHOF® Studio für Architektur – Design, Berlin
- LOVE architecture and urbanism ZT, Graz
- Ortner & Ortner Baukunst, Berlin
- Pysall Architekten, Berlin
Preisgericht
Fachpreisrichter:innen
Sachpreisrichter:innen
Ständig anwesende stellvertretende Fachpreisrichter:innen
Projekt-Ergebnisse
↑1. Preis
1. Preis: David Chipperfield Architects Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin
Die Verfassenden verstehen das Hochhaus als Abschluss des Baufeldes an der Holzmarktstraße eher kontextuell. Die Höhen das Stadthauses und des Bahnhofs Jannowitzbrücke werden vom Gebäude aufgenommen und als Terrassen und Einzüge interpretiert. Im Ergebnis entsteht eine kraftvolle Gebäudeskulptur, die sich aus Nähe und Distanz durch einen außerordentlich positiven stadträumlichen Präsenz auszeichnet. Mit einer exzellent gegliederten Kubatur weist der Entwurf überzeugend nach, dass die Höhenbegrenzung auf dem Grundstück – die man aus stadträumlicher Sicht durchaus unterschiedlich bewerten kann – einem souveränen architektonischen Auftritt im Stadtraum nicht entgegensteht. Mit architektonischer Raffinesse werden die Höfe und Atrien des Stadthauses im Turm in Auskragungen und Terrassen umgedeutet. So entsteht ein Gebäude, das sich schlüssig einfügt, einen würdigen Abschluss des Baufeldes und eine im Maßstab angemessene Platzwand formuliert. Obwohl sich der Turm nicht vom Ensemble des Stadthauses ablöst, geht er vermuteten Nutzungskonflikten elegant aus dem Weg. Mit einem Zurücktreten der Fassade weitet sich die 14 m breite Gasse gegenüber dem Bahnviadukt deutlich auf. Hier entsteht ein angenehm geschnittener Vorplatz, der sich in das Gebäude hinein erweitert und mit einer kleinen Gastronomie bespielt werden kann. Mit dem deutlichen Rücksprung der Kubatur oberhalb von 22 m erweist das Haus der Berliner Traufhöhe seine Reverenz und beugt potentiellen Nachbarschaftskonflikten mit der Bewohnerschaft auf der anderen Seite der Holzmarktstraße vor. In seiner städtebaulichen Haltung präsentiert sich der Turm als urbaner Nukleus, der mit einer fein gestuften Öffentlichkeit in den Dialog mit der Umgebung treten will. Das Erdgeschoss wird zu einem Teil des Platzes, der mit harten Belägen und baumüberstandenen Raseninseln urban verstanden wird. Bewegungskorridore für Fahrgäste und gebäudenahe bzw. gebäudeintegrierte Verweilzonen werden unprätentiös zu einem Ganzen verwoben. Die Höhen im Umfeld des Hauses werden im Erdgeschoss mit szenographischem Geschick als innere Topographie zu einem spannungsvollen Kontinuum verbunden, dessen Möglichkeiten mit den angedeuteten Nutzungen bei Weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Die Öffentlichkeit ist auch in der Skybar mit vorgelagertem Stadtbalkon willkommen. Innenräumlich wie auch in der abendlichen Fernsicht dürfte die nach oben schwingende Decke zu einem Highlight in der Skyline entwickeln. Auf der 5. und 11. Ebene schlagen die Verfassenden Co-Working Spaces mit Meeting-Zonen vor. Diesen Gemeinschaftszonen sind gut nutzbare Gartenterrassen vorgelagert. Die Öffnung der Fassaden in den Gemeinschaftszonen unterstützt die architektonische Idee und eröffnet spannungsvolle Durch- und Ausblicke. Die Büroflächen sind gut organisiert und erfüllen die Anforderungen der Auslobung an Nutzungsflexibilität und Teilbarkeit. Die Vertikalschließung muss insbesondere unter Brandschutzgesichtspunkten noch optimiert werden. Die Büroflächen sind gut belichtet. Die vorgesehenen niedrigen Brüstungen sind ein gutes Angebot an die Nutzer. Der Sonnenschutz wird als „Brise Soleil“ aus Aluminiumlisenen und -stegen hergestellt. Es entstehen fein gegliederte Fassaden, die den Blick nach außen rahmen, ohne diesen jedoch einzuschränken. In ihrem Nachhaltigkeitskonzept setzen die Verfasser auf einfache Grundmodule und Low-Tech-Konstruktionen, die einen langfristigen Betrieb und eine geringe Reparaturanfälligkeit garantieren. Die Obergutachtenden loben einen konsistenten Entwurf, der sich zugleich kontextuell wie eigenständig präsentiert. In einer kraftvoll gestalteten Kubatur versammeln die Verfasser einen großen Reichtum an Ideen und Nutzungsangeboten. Als Mehrwert für die Öffentlichkeit wird die Verbindung des Erdgeschosses mit dem öffentlichen Raum hervorgehoben.
↑2. Phase – 2. Rundgang
2. Phase – 2. Rundgang: Barkow Leibinger Architekten, Berlin
Die Verfasser beantworten die vielfältigen und komplexen städtebaulichen Fragen mit einem dreieckigen Turmhaus mit vielen Bezügen auf den näheren und weiteren Kontext. Die komplexen Anforderungen an Nutzung und Volumen werden ganz selbstverständlich gelöst. Besonders überzeugend wirkt die zur Bauflucht der Holzmarktstraße dezente Drehung des Baukörpers, die Blicke öffnet und allseitig attraktive, sich weitende öffentliche Räume anbietet. Im Nahbereich entstehen formal gleichwertige Adressen und aus der Ferne eine kraftvolle Gesamtwirkung.
Im Kontext vorhandener und geplanter Bauten zeigt sich der Entwurf als gestalterisch eigenständiges Projekt. Die Gestaltung der Fassaden erzeugt eine in sich dialogische Erscheinung im Spannungsfeld von Anonymität und Hermetik in Bezug auf die Fläche bei gleichzeitiger Einsichtigkeit und Zugänglichkeit der Ecken. Das Grün im Haus konzentriert sich auf vertikal gestapelte Wintergärten – dies wird konstituierend für den architektonischen Ausdruck anerkannt.
Der Vorschlag, das Haus als „Kraftwerk“ zu nutzen und dies auch nach außen hin zu zeigen, wird als intelligente Antwort auf Fragen klimagerechten Bauens gesehen. Auch wenn die gestalterische Umsetzung der energetischen Versorgung in der Konstruktion in Teilen noch etwas schematisch wirkt, gelingt ein Baukörper mit Ausstrahlung und stadträumlicher Präsenz.
Die Gestaltung der Erdgeschosse zeigt hohes Potential und verbindet sich schlüssig mit dem Kontext. Die radialsymmetrische Struktur bietet drei gleichwertige Büroadressen im Inneren, die Loggien in den Ecken werden als funktionale Lösung mit hohen gestalterischen und atmosphärischen Qualitäten gewürdigt. Die Ausblicke durch die Fassade werden intensiv und kontrovers diskutiert. Die innere Organisation der Geschosse bietet eine intelligente und zukunftsgewandte Antwort auf Fragen der Arbeit und Hochhaus in der Stadt. Die Wiederholung der gleichen Struktur über alle Geschosse wird als konsequent jedoch im Ergebnis nicht vollumfänglich überzeugend gewertet.
Der Entwurf wird als Beitrag mit hohen städtebaulichen und architektonischen Qualitäten gewürdigt. Volumen und Funktion, Arbeitswelt und Stadtbezug, Energiegewinnung und Grün an den Ecken werden zu einem starken Auftritt im Stadtraum verwoben – auch wenn einzelne Teile noch Entwicklungsbedarf zeigen.
2. Phase – 2. Rundgang: Buchner Bründler Architekten, Basel
Der Entwurf überrascht mit einer anderen Interpretation des Ortes als über den politischen Entscheidungsprozess vorgegeben. Die Überschreitung der Maximalhöhe wird als städtebauliche Setzung im Kontext weiter entfernter Orte nachvollzogen. Dies ist eine stadträumlich durchaus nachvollziehbare Position. Mit Blick auf eine zeitnahe Realisierung des Bauvorhabens wird diese Haltung jedoch kritisch gesehen.
Der Baukörper besticht nicht zuletzt wegen seiner Höhe durch Eleganz und stiftet in der Fernwirkung eine eindrucksvolle Figur mit hohen gestalterischen Qualitäten. In der Nahwirkung rückt der Baukörper in eine Nähe zum Stadthaus, die sich mit dem gestalterischen Anspruch schwer verträgt. Eine vom Kontext abgesetzte Landmarke verlangt hier mehr Raum.
Die Stellung des Baukörpers bildet ein qualitätsvolles Platzkompartiment als Erweiterung des Stadtplatzes, das mit Selbstverständlichkeit zum Hochhaus und zum Stadthaus führt. Am Ende stellt sich hier die Frage, ob der reduzierte Fußabdruck des Hauses im Inneren das Potential und im Außenbereich den Schutz bietet, um den umgebenden Stadtraum zu bespielen und Aufenthaltsqualität zu schaffen.
Die Nutzungskonzeption ist nachvollziehbar, widerspricht jedoch in Teilen auch den Zielen des Auslobers.
Die Fassadenkonzeption bietet interessante Überlegungen zu den Übergängen von innen nach außen, erscheint jedoch noch nicht an allen Stellen zu Ende gedacht. Unklar ist, ob die Erscheinung im Ergebnis zu einem offenen Haus oder einer hermetischen Skulptur würde.
Die Überlegungen zu Nachhaltigkeit in Konstruktion und Materialität überzeugen durch eine eigenständige Sichtweise, die neue Aspekte thematisiert.
Der Entwurf präsentiert sich mit einer Architektur, die in der Fernwirkung zeichenhaft und elegant auftritt, im Nahbereich jedoch stadträumliche Defizite aufweist, die in der städtebaulichen Haltung eines introvertierten Hauses begründet sind. Die von den Verfassern angerissenen Fragen nach der richtigen Höhe und den Nutzungsmix in hohen Häusern bleiben aktuell.
2. Phase – 2. Rundgang: CF Møller Architekten, Berlin
Die Verfasser verstehen Ihren Entwurf als freistehenden Baukörper mit der Funktion eines Knoten- und Verteilerpunktes an einem städtebaulichen wichtigen Kreuzungspunkt.
Mit einer Abstaffelung des Volumens Richtung Süden wendet sich das Turmhaus dem Ensemble des Stadthauses und der Spree zu. Die entstehenden Terrassen verbinden sich mit dem teilöffentlichen Innenleben des Hauses und bringen außenräumliche Qualitäten in die Arbeitswelten.
Eine Freitreppenanlage moderiert die unterschiedlichen Höhen vom Platz zum Bahnhofseingang, die restlichen Höhenunterschiede werden über geneigte Flächen überwunden.
Die Kubatur schafft es mit Ihrer Geometrie attraktive Stadträume zu bilden, die das Gebäude umfließen und aus denen die verschiedenen Adressen des Erdgeschosses erschlossen werden.
Die Erweiterung des öffentlichen Raumes ins Innere des Gebäudes durch öffentlichkeitsorientierte Nutzungen in den ersten drei Geschossen wird als nachvollziehbare und sinnvolle Nutzungskonzeption für ein städtisches Hochhaus gesehen.
Die Gestaltung und Struktur der Grundrisse entspricht den Erwartungen und lässt eine hohe Qualität der Arbeitswelten erwarten. Die Verschneidung von Innen- und Außenraum überzeugt.
Die Integration von energetischer Versorgung in der Fassade wird als intelligenter architektonischer Beitrag zur Energiewende gelobt.
Die vertikale Gliederung des Gebäudes mittels Zusammenfassung von mehreren Geschossen in verbundene gestalterische Einheiten kann im architektonischen Auftritt wie auch in der stadträumlichen Präsenz nicht überzeugen – sie schwächt die Silhouette, wo diese Kraft aufgrund der Höhenbegrenzung eine starke Wirkung entfalten sollte.
Die gestalterische Absetzung des Erdgeschosses mit einer anderen Fassadenstruktur trennt die oberen Geschosse vom Sockel – das Volumen wird visuell nicht überzeugend auf den Stadtboden geführt.
Die Vorschläge für die Gestaltung der öffentlichen Räume werden kritisch aufgenommen, es fehlt die Auseinandersetzung mit der Tradition des Berliner Trottoirs.
Der Vorschlag der Verfasser wird als interessante städtebauliche und architektonische Lösung gewertet, der Architektur fehlt es jedoch etwas an Kraft, um in der heterogenen Umgebung bestehen zu können.
2. Phase – 2. Rundgang: Kuehn Malvezzi Architekten, Berlin
Der Beitrag der Verfasser zeigt sich als fünfeckige Kubatur, deren Volumen sich in der Vertikalen mit Bezug auf die gebaute und geplante Umgebung zurückstaffelt. Eine regelhafte Fassadenstruktur bildet eine einheitliche Oberfläche.
Die Formbildung des Gebäudes wird nachvollzogen, kann jedoch in der Umsetzung nicht vollumfänglich überzeugen: Hier wird eine klare Haltung vermisst, die sich für Autonomie des Baukörpers oder Anpassung an die Umgebung entscheidet. Der Ansatz mit der regelhaften Knickung der Fassade, dem Baukörper mehr Tiefe zu verleihen, wird begrüßt, die einheitliche Oberfläche wirkt jedoch zu hermetisch.
Der Idee der Baumgruppen auf den Dachterrassen kann das Gremium – trotz der historischen Referenz – am Ort nur bedingt folgen. Bedingt durch die allseitige Verglasung der Grünterrassen, wirkt die Gestaltung der Terrassengärten überinstrumentalisiert und additiv.
Die Verbindung der Skybar mit dem sich hochschraubenden Freiraum schöpft die Chancen eines krönenden grünen Zimmers leider nicht aus.
Die Überschreitung der Grundstücksgrenze wird für eine mögliche Realisierbarkeit als gravierendes Risiko eingeschätzt. Die Gestaltung des Stadtplatzes als Weiterführung der bestehenden Bauminseln wird als Weiterentwicklung zum ersten Kolloquium gewürdigt, im Hinblick auf die Robustheit und das Sicherheitsbedürfnis der Passanten jedoch in Frage gestellt.
Die neue Topographie des Grundstücks überzeugt nicht vollständig, insbesondere die mangelhafte Barrierefreiheit im südlichen Bereich wird als nicht zeitgemäß für die Gestaltung eines hochfrequentierten öffentlichen Raumes gewertet.
Im Ganzen wird die Weiterentwicklung des Entwurfs von den Obergutachtern positiv gewürdigt. Im Ergebnis vermag der Beitrag weder als Konzeption noch als städtebauliche und architektonische Lösung voll zu überzeugen.