Forschungscampus DESY in Zeuthen – 2-phasiger, nicht-offener Realisierungswettbewerb
Masterplan und Neubau des CTA Science Data Management Centre mit Kantine und Freianlagen, 07/2018 – 02/2019
DESY ist wichtiger Partner bei internationalen Projekten der Astroteilchenphysik und betreibt eine der weltweit größten Forschungsgruppen in der Gammaastronomie. Im Juli 2016 ist es gelungen, das Science Data Management Centre für das Zukunftsprojekt Cherenkov Telescope Array CTA mit Sitz des wissenschaftlichen Direktors an das Forschungszentrum DESY nach Zeuthen zu holen. Die Entscheidung, das wissenschaftliche Zentrum des Observatoriums in Zeuthen anzusiedeln, bedeutet eine enorme Aufwertung für den Standort und wird den Campus für die nächsten Jahrzehnte entscheidend prägen.
Der DESY-Campus in Zeuthen zählt zu den größten Wissenschaftseinrichtungen in Brandenburg und eröffnet durch sein Programm von Forschung, Lehre und Ausbildung jungen Menschen hervorragende Zukunftsperspektiven. Gleichzeitig sichert die erstklassige Qualifikation von Fachkräften den Unternehmen dringend gesuchten Nachwuchs. 280 Menschen arbeiten derzeit in den wissenschaftlichen und technischen Bereichen. Durch die Errichtung des SDMC werden ca. 60 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Darüber hinaus werden künftig weitere Gastwissenschaftler und Besucher das Institut besuchen. Perspektivisch werden bis zu 400 Personen auf dem Campus beschäftigt sein.
Der dadurch entstehende Raumbedarf des CTA Science Data Management Centre beträgt ca. 1.200 qm Nutzungsfläche und soll über einen Neubau auf dem Campus gedeckt werden. Hinzu kommen Nutzungsflächen von rund 500 qm für den Neubau einer Kantine, um den Mehrbedarf durch die steigenden Mitarbeiterzahlen auf dem Campus zukünftig zu decken.
Neben dem Ausbau der Gammastrahlenforschung durch das CTA wird auch das Schulungs- und Kooperationsprogramm mit verschiedensten Bildungseinrichtungen des Landes erweitert und ausgebaut werden. Schon heute fehlen angemessene Räumlichkeiten zur Zusammenarbeit und Vermittlung der wissenschaftlichen Arbeit auf dem Campus. In den nächsten Jahren soll ein Schulungs- und Tagungszentrum mit weiteren 913 qm NUF in einem eigenen Gebäude das vorhandene Angebot auf dem Campus ergänzen.
Insgesamt werden die heutigen architektonischen Strukturen des Campus weder ihrer aktuellen, noch ihrer zukünftigen Nutzung und der wachsenden Bedeutung des Standortes gerecht. Ziel ist, die bestehende Situation auf dem Campus in Zusammenhang mit den geplanten baulichen Maßnahmen neu zu ordnen.
Im Sinne eines „Offenen Campus“ soll zukünftig ein möglichst großer Teil des Geländes der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Ein neuer Masterplan für die Campusgestaltung wird die verschiedenen Außenräume neu definieren, die unausgeschöpften Potenziale des Standortes am Zeuthener See entwickeln und die vorhandene heterogene Bebauung zu einem repräsentativen und funktionalen Ensemble zusammenführen. Die zu planenden Neubauten müssen sowohl den funktionalen Ansprüchen genügen als auch die neue Bedeutung des Standortes angemessen nach außen repräsentieren.
Die Realisierung der Maßnahmen wird in mehreren Schritten erfolgen. Ab 2020 sollen die Baumaßnahmen für das SDMC und für die Kantine beginnen. Das Schulungsgebäude und die Realisierung der Außenanlagen sind, vorbehaltlich der haushaltsrechtlichen Anerkennung durch die genehmigenden Stellen, für die Jahre ab 2023 vorgesehen. Für die Realisierung des SDMC und der Kantine ist insgesamt ein Kostenrahmen von ca. 6.125.000 EUR Netto in den Kostengruppen 300 und 400 veranschlagt. Für die Kostengruppe 500 beträgt der Kostenrahmen weitere 504.000 EUR Netto. Diese Summen beruhen auf einer erst im letzten Monat aktualisierten Kostenkalkulation und steht zwingend unter dem Vorbehalt der haushaltsrechtlichen Anerkennung durch die genehmigenden Stellen.
Das Vorhaben eines Neubaus für das SDMC sowie die Erarbeitung eines Masterplanes für den Forschungscampus Zeuthen ist eine spannende Herausforderung. Der Komplexität der Aufgabe angemessen, einen hochqualitativen Neubau zu entwickeln und diesen im Rahmen einer Campus-Planung mit den verschiedenen Typologien der vorhandenen Innen- und Außenräume zu einem repräsentativen Ganzen zu vereinigen, soll nun mithilfe eines 2-phasigen Realisierungswettbewerbs eine herausragende und überzeugende Planung und der geeignete Planungspartner*In für dieses Projekt gefunden werden.
Preisgericht
Fachpreisrichter*innen
Sachpreisrichter*innen
Ständig anwesende stellvertretende Fachpreisrichter*innen
Stellvertretende Sachpreisrichter*innen
Projekt-Ergebnisse
↑1. Preis

1. Preis: Heinle, Wischer und Partner Freie Architekten, Berlin mit Ulrich Krüger Landschaftsarchitekten, Dresden
Der Campus wirkt durch seine deutliche Adresse zum Quartier zwischen bestehendem Verwaltungsge-bäude und Schulungszentrum gut gegliedert. Um eine großzügige zentrale Mitte orientieren sich bestehende und neue Baukörper und schaffen eine gute Orientierung.
Die Wegeführung und innere Erschließung sind gut gelöst. Die Gliederung der Campusmitte in einen beruhigten grünen Bereich und einen südlich angelagerten Platz wird begrüßt. Die angebotene Wegeführung von PKW und Fußgängern auf dem „Campusanger“ führt zu einer Überlagerung von Verkehren und ist im Detail noch zu klären. Die ringförmige Erschließung unter Nutzung der Anlieferzufahrt erscheint sinnvoll.
Der neue Baukörper hat eine deutliche Signalwirkung und stellt eine klare Adresse dar. Er nimmt sowohl das SDMC, wie auch die Kantine auf. Die Orientierung des Haupteingangs zum Campusanger ist deutlich ablesbar und richtig. Die Lage der Außenterrasse der Kantine zum Wasser wird begrüßt, jedoch wird der versprochene Ausblick durch das bestehende Bootshaus eingeschränkt.
Die Gliederung in einen flachen, ebenerdigen Körper mit den öffentlichen Funktionen (Kantine, Seminar) und einem zweiten darüber liegenden und auskragenden Riegel (SDMC) überzeugt. Unterhalb der Auskragungen ergibt sich zur Campusmitte hin der Hauptzugang, zur Seeseite eine geschützte Terrasse. Aspekte wie Geborgenheit, Eingangsgeste, „Geschütztheit“ scheinen gut gelöst.
Die Anmutung und Rhythmisierung der Fassade ist klar und einladend. Sie verspricht eine hohe Qualität und ist der gegebenen Aufgabenstellung angemessen. Der Nutzerkomfort der vorgeschlagenen zweischaligen Fassade mit den daraus resultierenden, nicht zu öffnenden Fenstern wird kritisch hinterfragt. Der ausladenden Dachfläche des ausgestellten Gebäudeteils der Kantine (über dem EG) kommt eine entscheidende Rolle in der Gestaltung (Begrünung, keine technischen Anlagen) zu.
Das großzügige, lang gestreckte Foyer mit Durchblick zum Wasser wird dem Ort gut gerecht. Vor allem die klare Orientierung der Funktionseinheiten (Kantine, Versammlungsraum, Nebenräume) im EG wird positiv gesehen. Ob die eher zurückhaltende Zugänglichkeit allein durch die Öffnung zu den Treppenhäusern/Aufzug ins SDMC ausreicht, ist zu überprüfen.
Die beiden Obergeschosse sind identisch strukturiert. Der Dreibund mit außenliegenden Büroräumen und innenliegenden Nebenräumen verspricht eine hohe Funktionalität. Die an den Stirnseiten verorteten Kommunikationseinheiten mit Ausblicken zum Campus und zum See versprechen eine hohe Qualität. Gleiches gilt für die Büroeinheiten, die alle einen Blick zum See ermöglichen.
Die Anlieferung der Mensa ist gut gelöst, ebenso wird die Orientierung der Küchenarbeitsplätze zum Wasser begrüßt. Die Ausrichtung der Lagerflächen zum See sollte überdacht werden.
Insgesamt wird die Arbeit als ein sehr guter Beitrag gewertet, der bei hoher Qualität infolge seiner Kompaktheit eine wirtschaftliche Lösung erwarten lässt.
↑3. Preis

3. Preis: ARGE Oliver Jäkel Architekt und Kaspar Kraemer Architekten BDA GbR, Köln/DE mit Schröder Landschaftsarchitekten und Ingenieure, Essen/DE
Das Schulungszentrum wird im Eingangsbereich entlang der Platanenallee verortet und bildet zusammen mit dem Bestandsgebäude das neue Entrée zum Campus. Durch den Abbruch des vorhandenen Pförtnergebäudes ergibt sich, in Verlängerung der Platanenallee eine attraktive Eingangssituation, die selbstverständlich in den Campus hineinführt.
Für das SDMC, den Veranstaltungsbereich und die Mensa schlagen die Verfasser ein solitäres Gebäude vor, das den Campus in zwei klare Außenräume mit unterschiedlicher Qualität gliedert. Vom zentralen Platz ausgehend führt eine klare, gelungene Zuwegung zum See. Südlich des Neubaus entwickelt sich ein attraktiver Landschaftspark.
Das Gebäude und seine Positionierung auf dem Campus erfüllt den Wunsch des Auslobers an eine gute Sichtbarkeit und Präsenz des Institutes. Die klare Gliederung der Außenräume wird durch das Preisgericht positiv beurteilt.
Veranstaltungsbereich und Mensa sind folgerichtig im Erdgeschoß angeordnet, wobei sich der große Saal zum Landschaftspark und die Mensa zum See orientiert. Die Anlieferung der Kantine als auch der Eingang zur Mensa über das großzügige, gemeinsame Foyer von SMDC und Kantine sind gut gelöst. Die Funktionsbereiche im EG sind funktional und flexibel gegliedert. Durch eine Decke aus vorgespannten Beton-elementen entsteht im Bereich des Veranstaltungsraumes und des Speisesaals ein stützenfreier Raum, der beliebig eingeteilt werden kann.
Die Erschließung des SDMC in den oberen Geschossen liegt richtig an der Nord-West-Ecke des Gebäudes, zum Marktplatz orientiert, für eine repräsentative Erschließung der oberen Stockwerke ist sie aber eindeutig unterdimensioniert und erscheint nicht angemessen.
In den Obergeschossen wird ein Drei-Bund vorgeschlagen, wobei die großzügige Kernzone die Sanitärbereiche und zum See orientiert die Besprechungsräume aufnimmt. Zudem befindet sich hier eine weitere, die beiden Obergeschosse verbindende, offene Treppe, die ein schönes, kommunikatives Zentrum ausbildet. Die zusätzlich notwendigen Treppenräume liegen an der Nordseite und erfüllen alle Anforderungen an Rettungswege. Die nach Süden und Norden orientierten Arbeitsbereiche sind als klassische 1- und 2-Personenbüros dargestellt, aufgrund der Großzügigkeit des Flächenangebots sind auch andere Arbeitsformen denkbar. Den Büros vorgelagert liegen 3-seitig umlaufende Balkone, die zu einer hohen Arbeitsplatzqualität führen. Nach Süden dienen die Balkone gleichzeitig als Verschattung. Die Anbindung der westlichen, geschlossenen Fassade an die Balkone erscheint architektonisch-gestalterisch nicht schlüssig. Insgesamt bietet der Entwurf ein modernes, gut differenziertes Raumangebot, dass auch für zukünftige Arbeitswelten ansprechende Räume bietet.
Dem reichhaltigen Angebot an Flächen sowie den umlaufenden Balkonen geschuldet, wirkt der Baukörper auf dem Grundstück allerdings leider etwas zu wuchtig. Dies spiegelt sich auch in der verhältnismäßig hohen Nutzfläche, BGF und BRI.

3. Preis: kleyer.kobitz.letzel.freivogel Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin/DE mit sinai Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH, Berlin/DE
Der Campusgedanke wird durch die Maßstäblichkeit der, als drei Einzelgebäude konzipierten, Gebäude überzeugend weiterentwickelt. Durch die Setzung und Ausformung des SDMC-Gebäudes wird ein wohl proportionierter, dreiseitig gefasster Platz geschaffen. Das Freihalten von jeglichem ruhenden Verkehr stärkt den Gedanken eines Campusplatzes, der dadurch eine hohe Aufenthaltsqualität entwickeln kann.
Die Maßstäblichkeit des eingeschossigen Kantinengebäudes sowie die formale Ausformung fügt sich zu-rückhaltend und elegant in den sonst von jeglicher Bebauung freigehaltenen Park.
Die Erschließung des SDMC-Gebäudes vom Campusplatz aus ist u.a. durch das durchgesteckte Foyer, das den Blick zum See freigibt, überzeugend gelöst. Der Konferenzbereich zum Süden und Park orientiert, ist richtig positioniert, aber zur Kantine räumlich getrennt, hier werden nutzbare Synergieeffekte vermisst.
Die dreibündige Bürolandschaft im 1. und 2. OG ist überzeugend und wirtschaftlich gelöst. Regelmäßig angeordnete Aufweitungen im Grundriss – Kommunikationsflächen – versprechen eine hohe Aufent-haltsqualität mit Raum für informellen Austausch und schaffen eine klare Zonierung der Bürolandschaft. Kritisch gesehen wird die Ungleichheit der Ausrichtung der Büroräume zum Wasser einerseits und zum Hof andererseits.
Die am Rande des Parks gelegene Kantine wird sehr schön und klar vom Campusplatz aus erschlossen, sie liegt jedoch etwas zu nahe an der Rotbuche. Die Trennung der Anlieferung von der Publikumserschlie-ßung ist funktional richtig. Die Organisation der inneren Funktionen ist klar und überzeugend gelöst. Der zum See und zum Park orientierte wohlproportionierte Speisesaal mit vorgelagerter Terrasse überzeugt das Preisgericht durch seinen sensiblen Umgang mit dem Freiraum.
Die gezeigte Fassadensprache für das SDMC-Gebäude mit den verwendeten Materialien Holz und Beton ist unaufdringlich und nimmt Bezug auf die vorhandenen Gebäude und kann eine elegante formale Ergän-zung für den Campus darstellen. In der gleichen Eleganz und Zurückhaltung präsentiert sich die großflä-chige verglaste Fassade für die Mensa. Die Anordnung einer Dachterrasse als formale Kompensation der hier notwendigen Technikräume wird kontrovers diskutiert.
Insgesamt ist die Arbeit durch die städtebauliche Masstäblichkeit, der guten und funktionalen Grundrisse, sowie der gezeigten Feinfühligkeit in der Fassadenentwicklung ein überzeugender Beitrag für die Entwick-lung des Forschungscampus am Zeuthener See.